Nichts hören, Nichts sehen, Nichts sagen.
Getreu der Arbeitsweise der berühmten drei Affen agiert die Bundesregierung auch drei Wochen nach den Enthüllungen des Edward Snowden weiterhin in aktivem Nichtstun und Schweigen. Statt dem berechtigten Interesse der deutschen Bevölkerung nach Aufklärung und Transparenz im Umgang durch NSA und PRISM mit ihrem verfassungsrechtlich verbrieften Grundrecht auf Datenschutz vollständig nachzukommen, scheint man im Kanzleramt und Bundesinnenministerium nun selbst in geheimdienstlicher Manier die Wahrheit über Art und Umfang der Online-Überwachung nur scheibchenweise ans Tageslicht kommen lassen zu wollen.
Gezwungenermaßen, nachdem man selbst bei der Bundesregierung nach erfolglos versuchtem Aussitzen des Datenschutz-Supergaus zur Erkenntnis gelangt ist, dass beharrliches Schweigen und Herumdrucksen keine angemessene politische Reaktion auf die Besorgnis vieler Menschen um die Vertraulichkeit ihres Datenverkehrs im Internet sein kann.
Wie sehr das Thema die Menschen bewegt, erfahre ich in den vielen Gesprächen mit den Bürgerinnen und Bürgern unseres Wahlkreises. In meinem letzten Klartext habe ich bereits auf die schwierige Belastungsprobe hingewiesen, vor welche der Abhörskandal die Gespräche der EU mit den USA über ein Freihandelsabkommen stellt. Mit Antiamerikanismus, wie uns Bundesinnenminister Friedrich (CSU) gerne weis machen will, hat der Anspruch auf vollständige Aufklärung des Datenklaus nichts zu tun. Und auch nicht mit dem zweifelsfreien berechtigten Interesse sowohl Deutschlands als auch der USA an Sicherheit vor grenzüberschreitendem Terrorismus, wenn zu deren Gewährleistung die Freiheit und Privatsphäre im Internet abgeschafft werden. Eher mit dem offenen und fairen Umgang unter gleichberechtigten Partnern und Verbündeten zur Gewährleistung der informationellen Selbstbestimmung ihrer Bürgerinnen und Bürger, wie SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück zu recht betont.
Bundesinnenminister Friedrich sah sich überhaupt erst auf Druck der Opposition genötigt, zur Klärung der Ausspähvorwürfe in die USA zu reisen. Und was macht Frau Merkel trotz offen zur Schau getragenem Erstaunen und Empörung? Sowohl Regierungssprecher Steffen Seibert als auch der Sprecher des Bundesinnen-ministeriums halten sich seit Wochen mit sämtlichen Aussagen zu den NSA-Aktivitäten und der Beteiligung des BND nahezu vollständig bedeckt, und verweisen die Bürgerinnen und Bürger darauf, dass diesbezüglich lediglich das Parlamentarische Kontrollgremium zu informieren sei.
Versprochene Aufklärung und Transparenz? Fehlanzeige!
Die SPD fordert daher als Lehre aus dem Spähskandal von der Bundesregierung die Offenlegung aller Fakten, insbesondere zu den weiterhin offenen Fragen,
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was die Bundesregierung zu welchem Zeitpunkt über die in Rede stehenden
Abhöraktionen durch NSA und PRISM wusste, und wie sie mögliche
begangene Verfassungsverstöße rechtfertigen will,
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inwiefern der BND und der Geheimdienst-koordinator im Kanzleramt, Ronald
Pofalla, über die Spähprogramme Bescheid wussten, und welchen
Wahrheitsgehalt die am Wochenende im „Spiegel“ publik gemachten
angeblichen Verbindungen und gemeinsamen Aktivitäten von BND und NSA
tatsächlich haben,
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welche vertraglichen Vereinbarungen zwischen den deutschen und
amerikanischen Geheimdiensten existieren und wirksam sind,
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inwieweit die Abhöraktivitäten durch PRISM gezielt auch auf Industrie- und
Wirtschaftsspionage in Europa und Deutschland abzielen,
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was die Bundesregierung als Konsequenzen aus den vorgeworfenen
Ausspähaktionen und Verstrickungen des BND zu tun gedenkt,
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der Effektivität des deutschen Geheimdienstes, falls die Behauptung zutreffend
sein sollte, man habe über das Ausmaß der schrankenlosen Überwachung nur
unzureichende Kenntnisse gehabt,
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welche Kenntnisse sie über Abhörmaßnahmen der USA in europäischen
Botschaften und EU-Vertretungen hat,
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ob sie nach Jahren des Nichtstuns in der Sache endlich die Initiative für einen
neues europäisches Datenschutz anstelle der bisherigen europäischen
Vorratsdatenspeicherung-Richtlinie ergreift, die Bundesregierung muss sich
hier aktiv auf europäischer Ebene für ein wirksames europäisches
Datenschutzrecht einsetzen, das der Überwachung durch ausländische und
inländische Geheimdiensten einen Riegel vorschiebt.
Die SPD sieht sowohl die Bundesregierung als auch die EU-Kommission in der Pflicht, das Verhältnis zwischen Sicherheit und Freiheit im Internet gemeinsam mit ihren britischen und amerikanischen Partnern vor dem schwierigen Zielkonflikt von möglichst schonenden Eingriffen und größtmöglicher Privatsphäre für die Bürgerinnen und Bürger neu zu justieren.